Wahrheit

Ich sah es in seinem Gesicht. Er glaubte mir nicht. Nichts von dem, was ich sagte. Kein einziges Wort.

„Warum fragen Sie immer weiter, wenn Sie mir nicht glauben?“

„Ich glaube Ihnen. Wenn Sie mir die Wahrheit sagen.“

„Ich versichere Ihnen, ich sage die Wahrheit,“ rief ich.

„Ihre Wahrheit. Vielleicht.“

„Ja. Natürlich. Meine Wahrheit. Welche denn sonst? „

„Sie entspricht nicht der meinen.“

„Sie entspricht dem, was geschehen ist. „

„Aus Ihrer Sicht.“

„Das wollten Sie doch wissen. Ihre eigenen Sicht kennen Sie ja.“

„Es ist nicht das, was wirklich geschehen ist.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Ich weiß es eben.“

Und jetzt erinnere ich mich, dass mir auch mein Vater nicht glaubte. Schon als ich noch ein Kind war. Egal was ich sagte. Ob ich nun weinte, schrie und mit dem Fuß aufstampfte. Es nützte nichts. Auch später, als ich soweit war, ihn auf offensichtliche Bezüge hinzuweisen, die das, was ich sagte erhärteten. Oder sogar deutlich zeigten. Er glaubte mir einfach nicht. Dieses oder jenes sei oder so und nicht anders gewesen. Behauptete er. Einfach so. Daraus folgerte er, dass sich dieses oder jenes zwingend ergeben habe. Ja, ergeben haben musste. Ich hatte keine Chance. Er fragte mich. Hörte sich an, was ich sagte. Immerhin. Baute sich dann seine eigene Geschichte daraus zusammen. Nannte sie die Wahrheit. Und war unumstößlich davon überzeugt, damit bewiesen zu haben, dass das, was ich gesagt hatte, gelogen war. Gelogen sein musste.

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