der Überfall in der Türkenstrasse

Paperback oder E-Book
174 Seiten
ISBN-13: 9783754353622
Verlag: Books on Demand
Erscheinungsdatum: 27.09.2021

Auszug:

„Ich möchte mein Konto löschen.“
Wenn er sich jetzt umdrehen könnte! Mit großer Anstrengung bemüht er sich sein Lächeln aufzubewahren, bis er sich um seine eigene Achse gedreht hat. Als er sich endlich umwendet, ist Karla aus der Bank verschwunden.
„Ziehen Sie von hier weg, Herr Schreiber?“
„Wie bitte? Weg? Warum? Nein. Ich weiß nicht.“
„Nur so, weil Sie schon so lang unser Kunde sind.“
„Wer war das gerade?“ bellt der ranghöhere Beamte zu Fräulein Tauber hin.
Fräulein Tauber hebt die Schultern.
„Eine Kundin.“
„Kennen Sie sie?“
„Nein, sie war zum ersten Mal da. Sie hat ein Konto eröffnet.“
„Und wir lassen einen wichtigen Zeugen einfach so hinausmarschieren.“
„Zeugin, Rudi. Potentielle Zeugin.“
„So, so, seit wann nimmst du es denn so genau mit den Geschlechtern, Fritz? Und was heißt hier potentiell?“
„Potentiell heißt, dass wir gar nicht wissen, ob die Kundin was gesehen hat. Und gerade du, Rudilein, solltest eigentlich wissen, dass ich es genau nehme mit den Geschlechtern!“
„So, jetzt weiß es jeder. War das nötig?“
„Lass uns nicht streiten, Rudi! So oder so, Zeugin oder Zeuge, sie stehen uns nicht mehr zur Verfügung.“
„Hier bitte, Ihre Unterschrift, Herr Schreiber! Ihr Geld bekommen Sie dann bei Frau Steinwetter nebenan an der Kasse.“
„Welches Geld?“
Wieder lächelt ihn Fräulein Tauber an.
„Aber, Herr Schreiber, Sie haben doch gerade Ihr Konto bei uns aufgelöst.“
„Konto? Ah ja.“
„Allerdings müssen wir vorerst noch einen kleinen Betrag einbehalten, für anfallende Kontoschließungsgebühren.“

Hans nickt und geht auf die Kasse zu, wo Frau Steinwetter noch immer Scheine in Banderolen bündelt, auf die sie ihr Kontrollzeichen kritzelt.
„Tja, eine merkwürdige Sache! Nicht wahr, Fräulein Tauber?“ murmelt Herr Kaiser nachdenklich.
Einer der beiden Wachmänner löst sich vom Banktresen und geht auf die Polizisten zu.
„Merkwürdig! Das ist das richtige Wort!“
„Was war denn da so merkwürdig?“
„Kaum waren wir in der Bank, der Loisl und ich, da ist’s auch schon passiert War’s net so, Loisl?“
„Es war wie du es sagst, Sepp.“
„Was ist denn nun passiert! Kommt zur Sache!“ fordert der mit Rudi angeredete Beamte ungeduldig.
Fritz, sein Kollege, setzt einen strengen Blick auf, um ein Grinsen zu vertuschen, das über sein Gesicht huscht.
Die beiden Wachmänner schauen sich erstaunt an.
„Also, was ist nun passiert, nachdem ihr beiden in der Bank wart?“
„Das wollten wir doch gerade erzählen, ist’s net so, Loisl?“
Der mit Loisl angesprochene Wachmann nickt.
„Also, kaum waren wir in der Bank, da reißt einer die Tür auf, so ein Bärtiger. Und hampelt wie narrisch herum.“
„Er hat also einen Bart gehabt?“
„Ja freilich hat er einen Bart gehabt, Herr Wachtmeister! Oder kennen Sie vielleicht auch Bärtige ohne Bart?“
Der Polizist winkt ab.
„Zudem hat er einen Revolver in der Hand gehabt.“
„Er hat euch mit einem Revolver bedroht?“
Der Wachmann betrachtet den Beamten argwöhnisch.
„Was ist? Warum schaust du mich so an?“
„Ich mein ja nur. Wenn Sie alle meine Fragen wiederholen, werma noch lang da hier herin stehen.“  „Das lass unsere Sache sein! Er hat euch also mit einem Revolver bedroht?“
„Bedroht nicht direkt, gell Loisl? Dös war ja das Merkwürdige.“
„Was soll das heißen? Hat er euch nun bedroht? Oder hat er euch nicht bedroht? Seid ihr sicher, dass es ein Revolver war?“
Der Wachmann seufzt.
„Dös waren aber jetzt viele Fragen gleichzeitig, Herr Wachtmeister. Sie bringen einen ja ganz aus’m Konzept. Was wollen Sie jetzt der Reih nach genau von mir wiss’n?“
Herr Kaiser versucht ein Lachen zu unterdrücken. Frau Steinwetter ist mit Hans Schreiber an der Kasse beschäftigt. Fräulein Tauber prustet in ein Taschentuch.
„Was war denn nun so merkwürdig?“ fragt der Beamte mit beherrschter Stimme.
Sein Kollege dreht sich zur Seite.
„Eigentlich ist merkwürdig doch net das passende Wort.“
„Es kommt doch jetzt nicht auf das richtige Wort an. Was war denn so mysteriös?“
„Mysteriös! Ja. Genau dös Wort hab i g’sucht g’habt! Da waren nämlich zwei Sachen. Die net zueinander gepasst hab’n.“
„Was denn für zwei Sachen? Mann, sag doch in kurzen klaren Worten, was hier vorgefallen ist!“
„Na, Herr Wachmeister, kurz und klar kann man so einen Vorfall net wiedergeben, der so mysteriös war.“
„Du, lieber Himmel! Nenn mich nicht immer Wachtmeister! Ich bin kein Wachtmeister!“
„Das weiß ich ja, Herr Wachtmeister. Aber wie soll ich Sie denn nennen? Ich kann doch net einfach Rudi zu Ihnen sag’n! Dös wär vielleicht doch a bisserl zu – no, zu familiär, meinen’s net auch?“
Herr Kaiser kann sein Lachen nicht mehr zurückhalten. Auch Fräulein Tauber bricht in Gelächter aus. Hans Schreiber und Frau Steinwetter schielen irritiert nach hinten. Die Polizisten stehen mit versteinerten Gesichtern vor den Wachmännern.
Aus dem Hintergrund gluckst verhaltenes Kichern.
Der Apotheker kauert immer noch in einem der Wartesessel und presst eine Hand auf seinen Mund. Er scheint sich erholt zu haben.
„Wollen Sie jetzt, dass ich weiterberichte, oder ist’s Ihnen lieber, wen Sie mir Fragen stellen?“
Der Beamte fordert ihn mit einer resignierten Handbewegung auf, weiter zu erzählen.
„Jetzt hab ich den Faden verloren.“
„Ihr wolltet uns von zwei Sachen berichten…“
„Richtig. Zwei Sachen. Der Bärtige hat uns bedroht. Und auch wieder nicht. Das heißt, er selber hat’s vielleicht schon geglaubt…“
„Was hat er geglaubt?“
„Na, dass er uns bedroht, hat er geglaubt. Er hat ja auch mordsmäßig rumgewerkelt mit seinem Plastikrevolver…“
„Plastikrevolver?“
„Ja, das hat jeder Depp sehen können! Ein Spielzeugrevolver war das. Nicht einmal für eine Wasserpistole hätt‘ der getaugt.“
„Ja, und? Mann, kannst du dich nicht etwas bündiger fassen?“
Der Wachmann geht einen Schritt zur Seite, blickt seinen Kollegen an und schüttelt den Kopf.
„Bündiger soll ich mich fassen? Sie san’s doch, Herr Wachtmeister, der mit seiner Nachfragerei die ganze Sach‘ unnütz in die Länge zieht.“
„Jetzt wirst du auch noch unverschämt!“
Sepp wendet sich an den anderen Beamten.
„Haben wir vielleicht was verbrochen? Nur weil wir zufällig in der Bank waren, wo dieser Narrische reinkommt? Stehen Sie mal mit einer Geldkassette da und lassen sich von einer Waffe bedrohen!“
„Das Ganze war doch offensichtlich völlig harmlos !“
„Harmlos? Na, harmlos war das Ganze nicht, gell Loisl?“
„Wie du sagst, Sepp. Na, eigentlich nicht.“
„Da war ja noch die zweite Sache, die ich Ihnen schon längst erzählt hätt‘, wenn Sie mich nicht dauernd unterbrechen tät’n. Der Narrische, der Bärtige, praktisch, der war nämlich in Uniform!“
Der Wachmann schaut die beiden Beamten triumphierend an. Dann dreht er sich um und überprüft die Wirkung seiner Worte auch auf die anderen Anwesenden.
„Ja, das war wirklich merkwürdig,“ bestätigt Herr Kaiser, „der Mann hatte tatsächlich eine Wachmannuniform an. Von einer Firma, die schon jahrelang nicht mehr für uns arbeitet. Ich selbst hätte mich nicht erinnert. Aber Sie müssen wissen, unsere Frau Steinwetter hat ein phänomenales Gedächtnis. Kaum war der ominöse Wachmann wieder verschwunden, wies sie mich daraufhin, dass er eine Uniform von „Securtrans“ trug. Diese Firma arbeitet schon seit langem nicht mehr für uns.“
„Gut, gut,“ drängt der wortführende Beamte, „dieser Mann hatte also einen Revolver aus Plastik, den, ich zitiere, „jeder Depp“ als solchen erkannt hätte…?“
„Jeder Depp!“ bestätigt der Wachmann.
„Desweiteren trug er eine Wachmannuniform. Von einer Gesellschaft, die nicht mehr für Ihre Bank arbeitet. Soweit richtig?“
Herr Kaiser nickt…

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