Alle Beiträge von Daniel

Wahrheit

Ich sah es in seinem Gesicht. Er glaubte mir nicht. Nichts von dem, was ich sagte. Kein einziges Wort.

„Warum fragen Sie immer weiter, wenn Sie mir nicht glauben?“

„Ich glaube Ihnen. Wenn Sie mir die Wahrheit sagen.“

„Ich versichere Ihnen, ich sage die Wahrheit,“ rief ich.

„Ihre Wahrheit. Vielleicht.“

„Ja. Natürlich. Meine Wahrheit. Welche denn sonst? „

„Sie entspricht nicht der meinen.“

„Sie entspricht dem, was geschehen ist. „

„Aus Ihrer Sicht.“

„Das wollten Sie doch wissen. Ihre eigenen Sicht kennen Sie ja.“

„Es ist nicht das, was wirklich geschehen ist.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Ich weiß es eben.“

Und jetzt erinnere ich mich, dass mir auch mein Vater nicht glaubte. Schon als ich noch ein Kind war. Egal was ich sagte. Ob ich nun weinte, schrie und mit dem Fuß aufstampfte. Es nützte nichts. Auch später, als ich soweit war, ihn auf offensichtliche Bezüge hinzuweisen, die das, was ich sagte erhärteten. Oder sogar deutlich zeigten. Er glaubte mir einfach nicht. Dieses oder jenes sei oder so und nicht anders gewesen. Behauptete er. Einfach so. Daraus folgerte er, dass sich dieses oder jenes zwingend ergeben habe. Ja, ergeben haben musste. Ich hatte keine Chance. Er fragte mich. Hörte sich an, was ich sagte. Immerhin. Baute sich dann seine eigene Geschichte daraus zusammen. Nannte sie die Wahrheit. Und war unumstößlich davon überzeugt, damit bewiesen zu haben, dass das, was ich gesagt hatte, gelogen war. Gelogen sein musste.

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WhatsApp Nachricht von Michael

Hallo Daniel,

wollte Dich nur wissen lassen, dass ich „Heimat“ mit großer Freude und fast in einem Zug gelesen habe. Anrührend, bestürzend, witzig, oft fast surreal und insgesamt ein großer Gewinn für mich. Danke.

Liebe Grüße Euch beiden

Michael

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„Heimat“ mein neuer Roman

Ich bin der Heinrich Hofer. Der Hanswurst. Der Trottel. Der Dorfdepp. Und ich war schon tot, als ich geboren wurde. Dabei hatte es gar nicht so übel angefangen. Ich bin nämlich an einem Sonntag geboren. Einem Sonntag im August, der mich und die letzte Sommerhitze ausbrütete. Das war aber auch schon alles. Vermutlich habe ich das bereits geahnt, als mich meine Mutter in die Welt zu pressen versuchte. Denn ich wehrte mich so gut ich konnte. Und meine Mutter hatte viel Mühe damit. Als ich schließlich doch herausschlüpfte, war ich tot. Jedenfalls glaubte das meine Mutter. Und sie war recht traurig, wo doch nun die ganze Plagerei umsonst gewesen war. Selbst mein Vater muss betroffen dreingeschaut haben, will man den Aussagen meiner Omi Glauben schenken.

„Der Teufel scheißt immer auf denselben Haufen“, soll mein Vater geknurrt haben. Erzählte mir meine Omi später. Aber tief in mir drinnen, habe ich wohl gespürt, dass von irgendwoher viel Unerfreuliches auf den Lebensweg meines Vaters gefallen sein musste. Und ich mit zu diesem Unerfreulichen gehörte.

Die Augusthitze lastete schwer auf dem niederbayrischen Dorf. Mein ganzes Leben sollte mich die Sommerhitze an diese unguten Momente erinnern. Es herrschte jene pralle Stille, die alles, was lebt, zu Boden drückt. Die Katzen verkrochen sich unter Bänken und Maschinen. Wampo, unser Hofhund, vergaß sein Bellen und igelte sich in seiner Hütte ein. Selbst die Bäume duckten sich unter die kochende Stille. Das Vieh auf den baumlosen Weiden litt am meisten. Die weidenden Schweine pressten sich nah an die Stallwand. Die Kühe versuchten sich vergeblich so zueinander zu stellen, dass sie aneinander Schatten gäben.

Lapping ist die größte von drei gottverlassenen niederbayrischen Ortschaften, die sich in eine ausladende Donauschleife schmiegen. Eine schmale Straße durchschneidet riesige Weizenfelder, führt westlich nach Wimling und östlich nach Niederkattlhofen, dem Gemeindesitz der drei Dörfer. In unsere drei Dörfer hineinzufinden ist einfach. Wieder herauszukommen beinahe unmöglich. In unregelmäßigen Abständen fallen die Jugendlichen der Dörfer übereinander her. Verprügeln sich so lange, bis ein Dorf die Oberhand gewinnt. Der so entstandene Burgfriede ist jedoch trügerisch. Schon nach kurzer Zeit fängt es in den unterdrückten Dörfern wieder zu gären an. Und sie fallen neuerlich übereinander her. Das war immer so. Und wird immer so bleiben.

Da jedes unserer drei Dörfer einen anderen Dialekt spricht, gibt es keine wirkliche Verständigung zwischen den Wimlingern und Niederkattlhofenern. Und zwischen ihnen und den Lappingern, die sich fast ausschließlich mit Blök- und Knurrlauten begegnen, schon gar nicht. Die Leute unserer drei Dörfer haben sich ohnehin nichts zu sagen. Gehen sich aus dem Weg, wo sie nur können. Nur sonntags, in der Kirche von Niederkattlhofen, stehen sie heuchlerisch dem Altar zugewandt. Starren auf den Mund vom Pfarrer Wandlinger. Aus dem Worte kommen, die sie nicht verstehen. Und auch gar nicht verstehen wollen.

Ich habe es von Anfang an gespürt. Man hat mich, wie einen Baum, an einen Ort gepflanzt, an dem er nicht gedeihen kann. Natürlich habe ich es versucht, meinen Vorteil zu nutzen, mich von dem mir zugedachten Ort wegbewegen zu können. Also mühte ich mich ab, meine Schritte mit der unter mir rotierenden Erde in Einklang zu bringen.

(der Roman „Heimat“ erscheint demnächst…)

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Mark Chain:

Habe Dein Buch („Der Überfall in der Türkenstraße“) sehr genossen! Sprache, Satz- und Geschichtestruktur, wechselnde Erzähler/in-Ebenen . . .  drei Dialogteile, die ich E X T R A gemocht habe. Rundum gut gemacht, mein Freund!

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Der Gesang der Nachtigallen

neuer Roman erschienen

ISBN: 9783754342510

Es war an einem ungewöhnlich heißen Augustsonntag eines ungewöhnlich heißen Sommers als die Einwohner eines abgelegenen Bergdorfs in den toskanischen Apenninen plötzlich aufhörten zu sprechen.

In einem Augenblick gemeinsamen Verstehens war ihnen klargeworden, genügend Worte verschlissen und deren Unzulänglichkeit entlarvt zu haben. Und sie beschlossen, sich ihrer künftig nicht mehr zu bedienen. Nicht heute. Nicht morgen. Auch nicht in fünfzig Jahren. Niemals mehr. Sie schalteten auch ihre Radios aus. Und ihre Fernseher. …

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Die Fliegenden Mütter im Blick

Hi Daniel,

Wir lesen gerade Dein Buch „Die fliegenden Mütter“ mit großer Freude und sind gerade mit den Italien-Geschichten durch. Wunderbar Deine Beobachtungsgabe, der trockene Humor und die oft knappe, aber dabei farbige und präzise, sorgsam rhythmisierte Sprache. Eine echte Freude.

Liebe Grüße

Michael

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Leserbrief

Lieber Daniel,

Es hat zwar eine Weile gedauert, bis „Der Überfall in der Türkenstraße“ bei unserem Buchhändler angekommen war, aber das Warten hat sich gelohnt. Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen. Dieses Kompliment will ich auch begründen, aus ganz subjektiver Perspektive eines Viel- und Gernelesers:

Die Erzählung  hat Humor (die Zeugenbefragung durch die Polizisten nach dem Überfall in der Bankfiliale könnte ähnlich auch bei Karl Valentin vorkommen!), Spannung (Du greifst routiniert, wenn auch mit einer leicht ironischen Distanz, in die Werkzeugkiste der Krimi-Autoren), und Herz (immerhin finden sich am Ende Zwei, nachdem Er sich von seiner Continental, Sie sich von ihrem Vater befreit hat).

Der Polizist Rudi bringt es auf Seite 122 auf den Punkt: „Ein Wachmann, der keiner ist, droht mit einer Pistole, die keine ist und erbeutet eine Geldkassette in der kein Geld ist…“. Man könnte die Reihe fortsetzen: Räuber, die nichts rauben, Studenten, die nicht studieren, ein Sparkassendirektor, der nicht seine Untergebenen knechtet (sondern ihnen Mohnsemmeln kauft), und am Ende ein Krimi, der nicht mit einer Verhaftung, sondern – ich kann dem Wortspiel nicht widerstehen – mit einer Verlobung endet.

Der Reiz dieser ganzen verkehrten Welt liegt darin, dass sie der richtigen den Spiegel vorhält – und das seitenverkehrte Bild ist definitiv erfreulicher als das Original. Als Leser würde man gerne noch ein Weilchen in diesem Bild bleiben: Dem Liebespaar noch ein wenig zuschauen, die Verschrottung von Taxi und Schreibmaschine beobachten, erleben, wie der Sparkassendirektor nach der Bäckerei noch die kommunistische Buchhandlung besucht. Aber das zeichnet ein gutes Buch ja aus: Der Leser kann und muss die Geschichte selber fortspinnen.

Mit herzlichen Grüßen aus Bonn

Helmut Blumbach

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Neuer Gedichtband erschienen

„Stille in unseren Köpfen“ ist mein neuer Gedichtband.
Er ist bei BoD erschienen.

Nachttage und Tagnächte. In manchen Nächten liegt das Mondlicht taghell auf der Erde. Sterne sind kaum sichtbar. Die Fenster an den Häusern mischen Licht in die Bäume. Manche Tage sind wolkenschwer und trist, dunkler Regen trennt uns vom Licht. Man sagt Tage sind Tage, Nächte sind Nächte, Tage sind hell, Nächte sind dunkel. Aber das stimmt nicht.

Hier kann der 98seitige Gedichtband bestellt werden: BoD

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