Alle Beiträge von Daniel

Homo Homini Lupus

Heut Nacht klopft ein Engel bei mir an,

zeigt nach hinten ins Dunkel.

Ich seh nur sein Gesicht,

die Augen verbittert,

und ich seh, dass er zittert.

Was der Engel sieht,

sehe ich nicht.

Nur ein Traum, sag ich mir,

doch der Engel klopft weiter,

Im schwindenden Licht,

seh ich, wie er schreitet,

die Flügel geweitet.

Wo der Engel hingeht

sehe ich nicht.

Der Engel sagt, folg mir!

Ich stemm mich dagegen.

Er zerrt, und er zieht mich,

zeigt hin zu den Hügeln,

mit bebenden Flügeln.

Und sein Blick

zielt auf mich.

Jetzt schreit, er der Engel,

schlägt wild mit den Flügeln.

Sag du mir, was da vor uns geschieht!

Ich hör Donner von oben,

von unten her Beben,

Seh Flammen über den Hängen schweben,

und jetzt seh ich auch, was der Engel sieht.

Die Täler, gefüllt mit zerschossenem Leben.

Schau hin, ruft der Engel:

Kein Kopf, kein Gesicht.

 Die Körper daneben, erschlagen mal eben,

Ich seh Schreie auf leeren Augen kleben

Münder die stumme Klagen erheben

Und tu, als säh ich, was ich vor mir seh nicht.

Er, der mich schickt, sagt der Engel,

er möcht euch vergeben,

doch er will, dass ihr hinschaut,

 wie du grade eben.

Dann hebt er ab, fliegt hoch auf den Hügel.

Noch flattert ein Flügel,

während der andere wegbricht.

Mir ist, als ob er noch riefe,

stürzt dann in die Tiefe.

Wo der Engel hinfällt

sehe ich nicht.

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Oliver Karbus zu meinem Roman HEIMAT:

„… jetzt habe ich ihn ausgelesen, Deinen Roman Heimat. Ich habe ihn verschlungen, konnte ihn pausierend kaum beiseitelegen und freute mich jedesmal auf das nächste Kapitel. Du hast da ein großartiges Buch geschrieben. Und ein wichtiges Buch.
Ein Buch, das ganz viele Menschen lesen sollten. Nicht nur in Bayern. Dein Buch reicht weit über Bayern hinaus. Überall in der Welt gibt es ähnliche Schicksale, und Du verhilfst ihnen zum Wort, schenkst ihnen Deine Sprache. Das ist mehr als nur große Literatur, das ist auch eine Mission. Großartig! Ich ziehe begeistert den Hut.“

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Autorenlesung in Gelnhausen

Am 24. September um 18 Uhr lesen Dr. Gisela Matthiae, Kim Roth und ich in der KUlturHerberge-KUH aus meinem kürzlich veröffentlichten Buch „Eine elegante Lösung“. Geschichten aus dem italienischen Alltag.

Veranstalter ist der Deutsch-Italienische Kulturverein Pinocchio e.V. Gelnhausen.

Im Rahmen der Lesung stellt die Künstlerin Kim Roth auch ihre thematisch zugeordneten Bilder aus.

KUlturHerberge-KUH Schützengraben 5, 63571 Gelnhausen

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Warum man den Bäcker grüßen sollte

und andere Geschichten)

AUSSCHNITTE:

ROLLER-RUDI oder WARUM MAN DEN BÄCKER GRÜSSEN SOLLTE

Der Bäcker in unserer Straße bäckt, wie viele Bäcker, manchmal vergiftetes Brot. Er weiß sich nicht anders zu helfen. Das verstehen die Leute in unserer Straße. Und kaufen woanders ihr Brot. Die meisten diesbezüglichen Todesfälle finden daher nicht in unserer Straße statt.

Ich bin wohl der Einzige in unserer Straße, der doch bei unserem Bäcker einkauft. Denn sein Brot ist im Grunde sehr gut. Wenn es nicht vergiftet ist. Mein Brot ist auch nie vergiftet. Denn ich grüße unseren Bäcker immer sehr freundlich.

Das mag er. Und ich weiß das.

Oft lache ich über die Leute in unserer Straße, die morgens um mehrere Häuserblocks gehen müssen, um zu ihrem Brot zu kommen. Einige haben ganz aufgehört zu frühstücken.

Besonders die Gehbehinderten.

Als ich dem Bäcker die Geschichte erzähle, lacht er grimmig und bietet mir sofort eine Semmel an. Ich lehne ab. Und verlasse grußlos den Laden. Der Bäcker, völlig irritiert, beißt entschlossen in besagte Semmel.

Wir haben jetzt keinen Bäcker mehr in unserer Straße.

Ich habe Glück gehabt.

Aber für die Gehbehinderten ist die Situation unverändert.

*

In einer nasskalten Novembernacht bin ich dieser kleinen Geschichte auf ungewöhnliche Weise wieder begegnet.

In meinem Lokal gab es einen Rollstuhlfahrer, der Rudi Winter hieß. Rudi war kein pflegeleichter Gast. Von einem Augenblick auf den anderen konnte er aus wilder Lebenslust in tiefe weinerliche Abgründe stürzen. Und umgekehrt. In diesen Exzessen seiner jäh auf und ab wallenden Stimmungen lernte ich nach und nach das wütende Aufbegehren eines Menschen zu entziffern, dessen Körper gefesselt ist an einen Stuhl mit zwei Speichenrädern.

Obwohl eine Hand verkrüppelt und unbrauchbar war, und sein karges Gefährt über keine motorischen Hilfen verfügte, bewegte sich Rudi Winter mit der verbliebenen nützlichen Hand so geschickt und behänd durch die engen Stuhlreihen des Lokals, als sei er mit seinem Rollstuhl verwachsen. Nur beim Rein- und Rausfahren über die zwei klobigen Steinstufen vor dem Lokaleingang, benötigte er Hilfe. Die er ohne Umschweife beim nächstbesten Gast oder vorbeieilenden Passanten einforderte.

Sich mit Rudi Winter zu unterhalten war eine Gratwanderung. Man wusste nie, ob er nicht im nächsten Moment in einen seiner Traurigkeitsschlünde kippte. Sich zusammenkrümmte, die verkrüppelte Hand mit seiner gesunden umschlang. Und bitterlich zu weinen anfing.

Ebenso übergangslos konnte er in exzentrisches Grölen verfallen. Stühle, die ihn bei der Fahrt zur Toilette provozierten, polternd beiseite werfen. Auch wenn sie ihm gar nicht im Weg standen. Dabei wurden Gläser und Geschirr von den Tischen gerissen. Die klirrend zu Bruch gingen.

Rudi Winter konnte sich urplötzlich in seinem Rollstuhl aufbäumen und Unflätiges durch den Raum brüllen. Stützte sich dabei mit seiner gesunden kräftigen Hand von seiner Rollstuhllehne ab. Ließ die verkrüppelte drohend kreisen. Und beschimpfte jeden, der sich in seiner Nähe befand. Worauf mich meine Mitarbeiter und die Gäste auffordernd ansahen. Sich dann kopfschüttelnd abwandten, wenn sie merkten, dass ich ihre Erwartung enttäuschte, diesen pöbelnden Störenfried, Rollstuhlfahrer hin oder her, endlich aus ihrem Umkreis zu entfernen.

Und Rudi strahlte.

Er spürte die Spannung zwischen den drängenden Gesten der Bedienungen, dem Unmut der Gäste und meiner eigenen Unschlüssigkeit, ja Unfähigkeit. Und genoss seinen Sieg. Oder was immer er dabei empfand. Er spürte, dass ich ihn niemals hinauswerfen würde, wie immer er sich auch aufführte. Und er nützte das leidlich aus.

Rudi Winter lachte anders als jeder, den ich kannte. Sein Lachen war ungestüm. Aufschreie gebremster Lebenskraft. Die sich steigerte. Bis sein ganzer Körper davon geschüttelt wurde. Um dann abrupt und völlig unerwartet in sich zusammenzufallen. Und gleichsam in ihr zu ersticken.

Rudis Lachen hatte aber auch etwas Diabolisches. Als wolle es ihn jeden Moment zum Platzen bringen. Und ihn als provokanten Vorwurf aus seinem Rollstuhl schleudern. Es explodierte aus seinem weit aufgerissenen Mund. Wie ein nicht enden wollender Donner auf einen nicht stattgefundenen Blitz. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze.  Die Pupillen so sehr in seinen Kopf hinein verdreht, dass sich nur noch das Weiße aus seinen Augenhöhlen wölbte. Er wand sich dabei so heftig in alle Richtungen, dass sein Rollstuhl bedrohlich hin und her schwankte.

Es schien, als habe sich all sein unterdrücktes Aufbegehren, Wut, Verzweiflung, Trotz und Traurigkeit in Gelächter verwandelt. Als berste nun dies alles auf einmal aus ihm heraus. Und wolle seinen verunstalteten Körper in Stücke reißen.

Lächelte Rudi aber, war sein Gesicht weich und zugewandt, ja weise. Seine Augen wissend und voller Demut. Als wäre er mit sich, der Welt und dem, was er zu tragen hatte, vollkommen im Reinen. Und als meine er, jedem, der sich in diesem Augenblick in seiner Nähe befand, vergeben zu müssen, was ihm vom Schicksal aufgeladen worden war….

AVE MARIA

Schon als ich mich durch die Kirchgasse, von der Neustadt kommend, auf die Altstadt zu bewege, höre ich die Stimme, die auf mich zuweht. An der Martinskirche angekommen, lasse ich meinen Blick lange schweifen. Kann jedoch niemanden ausfindig machen, zu dem eine so gewaltige Stimme passen würde.

Erst nach einer Weile sehe ich ihn. Ein ausgemergelt wirkender Mann steht vor der Buchhandlung Hugendubel.

Ich muss mehrere Male hinschauen. Die Haltung, die Kopfbewegungen, die Hand, mit der er vor sich herschwingt. Alles deutet daraufhin. Die Stimme scheint aus diesem dürren Körper zu tönen.

Ich habe immer ein paar Münzen für Straßenmusiker in der Tasche. Ihnen gehört von jeher meine große Sympathie. Ich gehe auf den Mann zu. Als ich mich ihm nähere, klingt der Gesang seltsamerweise nicht lauter. Es ist, als schwebe seine Stimme gleichmäßig über der ganzen Altstadt.

Jetzt bin ich nur noch wenige Meter von ihm entfernt.

Kein Zweifel. Die Stimme kommt aus seinem leicht geöffneten Mund.   

Es ist ein Ave-Maria, wie ich es so noch nie gehört habe. Der Mann ist kein Italiener, das merke ich sofort. Zu lange habe ich in Italien gelebt. Es scheint als bemühe er sich, die Konsonanten gleichsam zu überspringen, um schneller auf die Vokale überzugehen. Um dann ausführlich auf ihnen verweilen zu dürfen.

Ich habe Schuberts Ave-Maria gar nicht sofort erkannt.

Der in einem schäbigen Anzug steckende Mann verleiht diesem seinem ungewöhnlichen Ave-Maria eine Tiefe, die diesem viel zu oft gehörten und in viel zu vielen Anlässen verbrauchten Lied neues Leben einhaucht. Die Melodie scheint wie von selbst aus ihm herauszuströmen. Und erst durch die schwingenden Bewegungen seiner Arme und Hände ins Schweben gebracht und auf den Platz hinaus gehoben zu werden.

Ich bücke mich, um ihm ein paar Münzen zukommen zu lassen.

Zögere.

Der Mann hat weder eine Schachtel noch einen Hut vor sich. Und kann ich diese wunderbaren Töne mit ein paar Euro abgelten? Denke ich. Und will er für sein Singen überhaupt bezahlt werden? Und falls ja, was wäre der angemessene Preis dafür?

In dem Moment, in dem ich mich wieder aufrichte und die schon in meiner Hand liegenden Münzen wieder in meine Hosentasche zurückstecken will, bricht der Gesang plötzlich ab. Als habe jemand einen schwingenden Ton gewaltsam gekappt. Wie ein Schnitt durch ein straff gespanntes Seil.

Die Melodie steht still. 

Einen kurzen Augenblick lang fallen alle Geräusche, die sonst noch den Platz belebt haben, in ein sich ausweitendes Loch erschrockener Stille……

Dann katapultieren sich die Stimmen, das Klappern, das Scheppern, das Quietschen, das Lachen von Kindern und vereinzeltes Hundegebell wieder aus der Stille heraus. Nun jedoch ohne das eben noch darüber schwebende wunderliche Ave-Maria.

EIN KIND AUF DER LEOPOLDSTRASSE

Ich spaziere auf der Leopoldstraße stadteinwärts. Ein weicher Sommerwind wiegt die hohen Pappeln hin und her. Der Himmel ist weiß und blau, wie wir Bayern ihn mögen. Auf den Fußgängerwegen, links und rechts der Straße, gibt es in etwa so viele Passanten wie auf der mehrspurigen Straße Autos fahren.

Vor mir sehe ich, wie ein Kleinkind aus einem Kinderwagen krabbelt. Es dreht sich ein paarmal um seine eigene Achse. Wackelt dann mit seinen kleinen krummen Beinchen glucksend in Richtung Fahrspuren. Ich schließe meine Augen. Öffne sie wieder. Ich habe mich nicht getäuscht. Erschrocken renne ich auf den Kinderwagen (ein ausgefallenes Modell mit zwei Gummigriffen) zu. Und schiebe ihn, ohne einen Blick hineinzuwerfen, im Laufschritt dem Kind hinterher.

Hinter mir kreischt eine Frauenstimme: „Haltet ihn auf! Haltet ihn um Gotteswillen auf!“ 

Das Kind hat die Straße inzwischen erreicht. Ich habe keine Zeit, mich nach der Ruferin umzusehen. Die Autofahrer weichen aus. Die meisten hupen. Bremsen ab. Und fahren kopfschüttelnd weiter. Ein Sportwagen bleibt stehen. Ein hochgewachsener Mann in T-Shirt und kurzer Hose steigt aus. Sein Kopf ist kahl. Und er trägt einen imposanten rötlichen Rauschebart, wie er gerade mal wieder in ist. Als er auf das Kind zugehen will, hört wohl auch er die fordernde Stimme.

„Haltet ihn auf!“

Er bleibt verdutzt stehen. Schaut abwechselnd auf das Kind, auf mich und auf den Kinderwagen. Vielleicht fragt er sich, wer hier aufgehalten werden soll.

Das Kind ist auf der Fahrspur angekommen. Auch hier bremsen die Fahrer ab. Das Kind hampelt, mit hochrotem Kopf, und mit beiden Armen rudernd, durch den stehenden Verkehr auf die nächste Fahrbahn zu. Ich bahne mir einen Weg durch die aufgestauten Fahrzeuge. Komme aber mit dem Kinderwagen nicht schnell genug voran.

Vielleicht ist es klüger, ohne den Wagen hinter dem Kind herzulaufen, denke ich. Doch einfach so zwischen den Autos will ich ihn jetzt auch nicht abstellen.

Inzwischen sind alle Fahrzeuge zum Stehen gekommen. Da auch die Fußgänger auf beiden Seiten innegehalten haben, herrscht eine außergewöhnliche Stille über der Leopoldstraße. Die nur durch die Rufe der Frau und das aufgeregte Quieken des Kindes unterbrochen wird….

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Neu: Eine elegante Lösung

Mein neues italienisches Geschichtenbuch ist gerade im BoD Verlag erschienen. Erzählungen, die mein italienisches Leben schrieb. Dieser Band hat mir besonders viel Freude bereitet. Ich konnte so richtig in Erinnerungen eintauchen. Hier könnt ihr das Buch bestellen: BoD

Und hier findet ihr mehr Infos über den Inhalt —>

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Der Große Wagen (Roman)

„Ich weiß nicht, warum ich angehalten habe. Sie hat nicht einmal gewunken. Auch jetzt steht sie nur da. Als sei sie mit dem überschwemmten Seitenstreifen verwachsen…. Nimmt sie überhaupt wahr, dass ich für sie anhalte? Vielleicht habe ich mich ja getäuscht. Und sie will gar nicht mitgenommen werden. Und will ich sie überhaupt mitnehmen? Frage ich mich, als ich den Rückwärtsgang einlege…“

Als der kauzige Philipp auf seinen Nachtfluchten die Anhalterin Anna mitnimmt und mit ihr in die große Ebene ninausfährt, ahnt er nicht, dass er in einen Sog gerät, der ihn aus sich selbst herauszuzerren droht…

Eine Roadstory zwischen Traum und Wirklichkeit.

Bestellen bei BoD

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Wahrheit

Ich sah es in seinem Gesicht. Er glaubte mir nicht. Nichts von dem, was ich sagte. Kein einziges Wort.

„Warum fragen Sie immer weiter, wenn Sie mir nicht glauben?“

„Ich glaube Ihnen. Wenn Sie mir die Wahrheit sagen.“

„Ich versichere Ihnen, ich sage die Wahrheit,“ rief ich.

„Ihre Wahrheit. Vielleicht.“

„Ja. Natürlich. Meine Wahrheit. Welche denn sonst? „

„Sie entspricht nicht der meinen.“

„Sie entspricht dem, was geschehen ist. „

„Aus Ihrer Sicht.“

„Das wollten Sie doch wissen. Ihre eigenen Sicht kennen Sie ja.“

„Es ist nicht das, was wirklich geschehen ist.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Ich weiß es eben.“

Und jetzt erinnere ich mich, dass mir auch mein Vater nicht glaubte. Schon als ich noch ein Kind war. Egal was ich sagte. Ob ich nun weinte, schrie und mit dem Fuß aufstampfte. Es nützte nichts. Auch später, als ich soweit war, ihn auf offensichtliche Bezüge hinzuweisen, die das, was ich sagte erhärteten. Oder sogar deutlich zeigten. Er glaubte mir einfach nicht. Dieses oder jenes sei oder so und nicht anders gewesen. Behauptete er. Einfach so. Daraus folgerte er, dass sich dieses oder jenes zwingend ergeben habe. Ja, ergeben haben musste. Ich hatte keine Chance. Er fragte mich. Hörte sich an, was ich sagte. Immerhin. Baute sich dann seine eigene Geschichte daraus zusammen. Nannte sie die Wahrheit. Und war unumstößlich davon überzeugt, damit bewiesen zu haben, dass das, was ich gesagt hatte, gelogen war. Gelogen sein musste.

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WhatsApp Nachricht von Michael

Hallo Daniel,

wollte Dich nur wissen lassen, dass ich „Heimat“ mit großer Freude und fast in einem Zug gelesen habe. Anrührend, bestürzend, witzig, oft fast surreal und insgesamt ein großer Gewinn für mich. Danke.

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„Heimat“ mein neuer Roman

Ich bin der Heinrich Hofer. Der Hanswurst. Der Trottel. Der Dorfdepp. Und ich war schon tot, als ich geboren wurde. Dabei hatte es gar nicht so übel angefangen. Ich bin nämlich an einem Sonntag geboren. Einem Sonntag im August, der mich und die letzte Sommerhitze ausbrütete. Das war aber auch schon alles. Vermutlich habe ich das bereits geahnt, als mich meine Mutter in die Welt zu pressen versuchte. Denn ich wehrte mich so gut ich konnte. Und meine Mutter hatte viel Mühe damit. Als ich schließlich doch herausschlüpfte, war ich tot. Jedenfalls glaubte das meine Mutter. Und sie war recht traurig, wo doch nun die ganze Plagerei umsonst gewesen war. Selbst mein Vater muss betroffen dreingeschaut haben, will man den Aussagen meiner Omi Glauben schenken.

„Der Teufel scheißt immer auf denselben Haufen“, soll mein Vater geknurrt haben. Erzählte mir meine Omi später. Aber tief in mir drinnen, habe ich wohl gespürt, dass von irgendwoher viel Unerfreuliches auf den Lebensweg meines Vaters gefallen sein musste. Und ich mit zu diesem Unerfreulichen gehörte.

Die Augusthitze lastete schwer auf dem niederbayrischen Dorf. Mein ganzes Leben sollte mich die Sommerhitze an diese unguten Momente erinnern. Es herrschte jene pralle Stille, die alles, was lebt, zu Boden drückt. Die Katzen verkrochen sich unter Bänken und Maschinen. Wampo, unser Hofhund, vergaß sein Bellen und igelte sich in seiner Hütte ein. Selbst die Bäume duckten sich unter die kochende Stille. Das Vieh auf den baumlosen Weiden litt am meisten. Die weidenden Schweine pressten sich nah an die Stallwand. Die Kühe versuchten sich vergeblich so zueinander zu stellen, dass sie aneinander Schatten gäben.

Lapping ist die größte von drei gottverlassenen niederbayrischen Ortschaften, die sich in eine ausladende Donauschleife schmiegen. Eine schmale Straße durchschneidet riesige Weizenfelder, führt westlich nach Wimling und östlich nach Niederkattlhofen, dem Gemeindesitz der drei Dörfer. In unsere drei Dörfer hineinzufinden ist einfach. Wieder herauszukommen beinahe unmöglich. In unregelmäßigen Abständen fallen die Jugendlichen der Dörfer übereinander her. Verprügeln sich so lange, bis ein Dorf die Oberhand gewinnt. Der so entstandene Burgfriede ist jedoch trügerisch. Schon nach kurzer Zeit fängt es in den unterdrückten Dörfern wieder zu gären an. Und sie fallen neuerlich übereinander her. Das war immer so. Und wird immer so bleiben.

Da jedes unserer drei Dörfer einen anderen Dialekt spricht, gibt es keine wirkliche Verständigung zwischen den Wimlingern und Niederkattlhofenern. Und zwischen ihnen und den Lappingern, die sich fast ausschließlich mit Blök- und Knurrlauten begegnen, schon gar nicht. Die Leute unserer drei Dörfer haben sich ohnehin nichts zu sagen. Gehen sich aus dem Weg, wo sie nur können. Nur sonntags, in der Kirche von Niederkattlhofen, stehen sie heuchlerisch dem Altar zugewandt. Starren auf den Mund vom Pfarrer Wandlinger. Aus dem Worte kommen, die sie nicht verstehen. Und auch gar nicht verstehen wollen.

Ich habe es von Anfang an gespürt. Man hat mich, wie einen Baum, an einen Ort gepflanzt, an dem er nicht gedeihen kann. Natürlich habe ich es versucht, meinen Vorteil zu nutzen, mich von dem mir zugedachten Ort wegbewegen zu können. Also mühte ich mich ab, meine Schritte mit der unter mir rotierenden Erde in Einklang zu bringen.

(der Roman „Heimat“ erscheint demnächst…)

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Mark Chain:

Habe Dein Buch („Der Überfall in der Türkenstraße“) sehr genossen! Sprache, Satz- und Geschichtestruktur, wechselnde Erzähler/in-Ebenen . . .  drei Dialogteile, die ich E X T R A gemocht habe. Rundum gut gemacht, mein Freund!

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