Wir haben es satt

Und plötzlich haben die Tiere es satt. “ Wir haben es satt,“ brüllen, blöken, bellen und zwitschern sie in die Welt hinaus. Ihre Welt. In der sie sich bedroht fühlen. In der sie nicht mehr Heimat finden. Sie brüllen, blöken, bellen und zwitschern. Weil sie nicht reden können. Um zu reden, muss man denken können. Und sie können nicht denken. Doch sie können spüren und fühlen. Dass sie es satt haben spüren sie schon lange. Sehr lange. Und nur reicht es ihnen. Sie haben es so satt, dass sie es nicht mehr länger aushalten können. Und auch nicht mehr aushalten wollen. Satt bis obenhin.

Also rotten sie sich zusammen. Und statt weiterhin unter ihresgleichen zu bleiben, und ihre Reviere zu verteidigen, machen sie sich nun gemeinsam auf den Weg. Um die Menschen ihren Unmut wissen zu lassen.  Denn, wenn sie auch nicht denken konnten, so sehen sie doch bei den Menschen, wozu Abgrenzungen führen. Und was Einigkeit zu bewirken vermag. Sie verlassen die ihnen, teils zugedachten, teils selbst eroberten, Lebensräume. Besuchen die verschiedenen Artgenossen ihrer Spezies und stellen verwundert fest, wie viele und wie verschieden sie untereinander sind.  Das gibt ihnen Mut zum Aufbruch.

Die Giraffen treffen sich mit Nashörnern und Hunden. Verblüfft darüber, dass diese brüllen und jene bellen. Und als sie unterwegs von Krähen und Geiern begleitet werden, schrecken sie unter ihren krächzenden Schreien zusammen. Eidechsen treffen sich mit Möwen, amüsieren sich, dass diese sie anschreien und auslachen, während ihnen selbst nur kümmerliche Laute der Verständigung zur Verfügung stehen. Stellen dann fest, dass sie auch ohne das Geschrei der Möwen ganz gut zurechtkommen. Und freunden sich mit ihnen an.

Als die Ameisen und Elefanten aufeinandertreffen, nehmen sie sich zunächst gar nicht wahr. Für die Ameisen sind die Elefanten bewegliche Berge. Denen es auszuweichen gilt, um nicht von ihnen überrollt zu werden. Die Elefanten ihrerseits haben die Ameisen noch nie wirklich wahrgenommen. Sie wussten gar nicht, dass es diese kleinen Wesen überhaupt gibt. Wie viele mochten sie schon mit ihren Füßen zerstampft haben?Die Ameisen wiederum weichen entsetzt vor dem Aufstampfen dieser gewaltigen Säulen zurück. Die das gesamte Erdreich, das sie bewohnen, in Detonationen versetzen. Diese Ungeheuer sollen entfernte Verwandte ihrer Spezies sein? Doch da auch sie es satthaben und fest entschlossen sind, mit allen anderen Tieren den Menschen ihren Unwillen mitzuteilen, krabbeln sie aus ihren Behausungen unter der Erde. In faulenden Baumstümpfen und Balken. Befreunden sich mit ihren entfernten Verwandten. Und schließen sich dem Zug der vorüberziehenden Tiere an.
Die Elefanten ihrerseits heben ihre Füße nun behutsamer über den Boden. Um nicht ganze Völker ihrer neu entdeckten Verwandten mit nur einem einzigen Tritt zu zerstampfen. Wie viele von ihnen haben sie wohl schon zertreten! Ohne es gemerkt zu haben. Die Karawane der Tiere wird immer länger.

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